Trump 2.0.: Sehnsucht nach dem starken Mann

Donald Trump ist zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt worden – und zum zweiten Mal gewann er gegen eine Frau. Die Börse reagierte mit hohen Kursgewinnen. Der Mann weckt auch bei Unternehmern und Anlegern Vertrauen. Weder Hillary Clinton, die 2016 gegen Trump kandidierte, noch Kamala Harris trauten die Wähler zu, das Land zu führen und wirksame Maßnahmen gegen dringende Probleme durchzusetzen, darunter die hohe Staatsverschuldung, die überbordende Immigration, der enorme Anstieg von Drogentoten und -konsumenten durch Fentanyl und die konfliktkreiche Außenpolitik. Trump mag ein Narzisst sein, aber er versprüht das für dieses Amt nötige Selbstbewusstsein und verkörpert nach seiner Abwahl 2020, mehreren Strafverfahren und gescheiterten Attentatsversuchen gegen ihn die Qualität eines Stehaufmännchens, das das Ruder herumreißen kann.

Ordnung machen
Wahlkampfveranstaltung für Trump 2024
Wahlkampfveranstaltung in Pittsburgh, Pennsylvania: Trump, der Privilegierte, als „Fixer“ für die Unter- und Mittelschicht (Foto: Facebook DonaldTrump).

„Trump wird es richten!“ war einer der Sprüche auf den Wahlkampfplakaten des Republikaners. Sein Sieg macht die Sehnsucht der US-Amerikaner nach einem starken Führer in einer Welt voller Krisen deutlich, wobei einige dieser Krisen von den USA wenn nicht hervorgerufen, so doch zumindest befeuert wurden und werden. Ordnung zu schaffen, wird 2024 in den USA immer noch eher einem Mann zugetraut als einer Frau. Inhaltlich gewann Trump die Wahlen vor allem mit seinem Versprechen, Steuergelder nur für die Interessen seiner Landsleute auszugeben, indem er Produktion in den USA fördern und so mehr Arbeitsplätze schaffen will. Die meisten verstehen darunter auch, weniger finanzielles Engagement in die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Grundsätzlich ist die Interpretation, was und in welcher Höhe zu diesen Interessen gehört, natürlich schwammig. So vertritt Trump gegenüber dem Iran eine noch härtere Linie als die meisten Demokraten, was schneller zu einem weiteren Krieg führen könnte.

Klar positionierte sich Trump in der Frage der illegalen Einwanderung, die unter Präsident Biden aus dem Ruder gelaufen war. Trump will bis zu 20 Millionen illegale Immigranten deportieren und damit auf einen Schlag auch die Kriminalitätsrate, die Inflation und die Immobilienpreise senken. Das wird als rassistisch kritisiert und die Rechnung dürfte so einfach nicht aufgehen, da die meisten der Illegalen als billige Arbeitskräfte auf dem Bau und in der Landwirtschaft arbeiten, so dass, wenn sie dort fehlen, die Preise für die Konsumenten eher steigen. „Amerika wieder groß machen“ („Make America Great Again“) ist immer noch Trumps oberster Wahlspruch und hat aufgrund seiner Initialen die MAGA-Bewegung ins Leben gerufen. Sein Wahlprogramm „Agenda 47“ (für den 47. Präsidenten der USA) nennt 20 Kernversprechen, um dieses Ziel zu erreichen: Ganz oben steht „die Grenze abriegeln und die Invasion der Migranten stoppen“, gefolgt von den schon erwähnten Deportationen, die Inflation beenden und auf Platz vier die USA „zum mit Abstand führenden Energieproduzenten der Welt“ machen.

Trumps Versprechen
Trumps Agenda als 47. US-Präsident
Im Rahmen des Wahlprogramms der Republikanischen Partei hat Trump 20 Kernversprechen abgegeben (Foto: donaldjtrump.com).

Die folgenden Punkte auf der Liste sind Outsourcing stoppen und damit das verarbeitende Gewerbe in den USA stärken, große Steuersenkungen für Arbeitnehmer und keine Besteuerung von Trinkgeldern, Verteidigung der Verfassung und der Grundfreiheiten, vor allem der Redefreiheit, der Religionsfreiheit und des Rechts, Waffen zu besitzen und zu tragen. Die Nummern acht und neun lassen aufhorchen: „den Dritten Weltkrieg verhindern, Frieden in Europa und im Nahen Osten wiederherstellen und einen großen Raketenabwehrschild aus Eisen über unserem gesamten Land aufbauen – alles Made in America“ sowie die Regierung nicht mehr „als Waffe gegen das eigene Volk einsetzen“. Damit beweist Trump, der Immobilien-Milliardär, einmal mehr, dass er die Bürger besser versteht als die abgehobenen Demokraten. Eine harte Hand will er gegenüber ausländischen, vor allem mexikanischen Drogenkartellen und kriminellen Banden in den USA zeigen und die Städte „wieder sicher, sauber und schön“ machen.

Das Militär soll gestärkt und modernisiert werden, „damit es ohne Frage das stärkste und mächtigste der Welt wird“. Auch der US-Dollar soll die Leitwährung der Welt bleiben. Punkt 14 ist die Zusage für Schutz der sozialen Sicherheit und der medizinischen Versorgung ohne Kürzungen, auch ohne Änderungen des Rentenalters. Trump hat versprochen, das Gebot für Elektrofahrzeuge sowie kostspielige und belastende Vorschriften für die Fahrzeugindustrie aufzuheben. Entgegen dem allgemeinen Aufwärtstrend gingen deshalb Aktien und Fonds für erneuerbare Energien nach der Bekanntgabe seines Wahlsieges in den Keller. Weitere geplante Maßnahmen: „Kürzung von Bundesmitteln für alle Schulen, die unseren Kindern kritische Ethnien, radikale Gender-Ideologie und andere unangemessene rassistische, sexuelle oder politische Inhalte vermitteln“ sowie ein striktes Heraushalten von Männern aus dem Frauensport. Schließlich will Trump noch Befürworter der radikal-islamischen Palästinenserbewegung von Hochschulen verbannen, den Wahlprozess sicherer machen, die USA vereinen und „zu neuen und rekordverdächtigen Erfolgen führen“.

Der amerikanische Traum
Donald Trump im Wahlkampf 2024
Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Raleigh, North Carolina (Foto: Facebook DonaldTrump).

Auf seiner letzten Wahlkampfveranstaltung in Pittsburgh sagte Trump am 5. November 2024: „Ich werde den amerikanischen Traum retten!“ „Wieder große Träume haben“: Auch das war ein Spruch, den seine Anhänger auf seinen Wahlkampfveranstaltungen auf Plakaten hochhielten. Verblüffend, wie die Wähler Trump das abkaufen, verdankt der seinen Erfolg doch weniger eigener harter Arbeit als dem von seinem Vater aufgebauten Unternehmen, dessen Vermögen und dessen Beziehungen. Als Geschäftsmann nutzte Donald Trump die Kontakte seines Vaters zur Politik ungeniert, um sich geschäftliche Vorteile zu verschaffen, und operierte nach dem Motto „fake it till you make it“, zu Deutsch „gib etwas vor, bis du es hast oder bist“. So erschlich er sich ein Vorkaufsrecht und einen Kredit für ein Grundstück für sein erstes Bauprojekt in New York, indem er vortäuschte, bereits eine Vereinbarung mit der Hotelkette Hyatt als Nutzer zu haben. Glück für ihn, dass das Grand Hyatt New York dann tatsächlich zustande kam. Seine Residenz Mar-a-Lago in Florida erhielt er weit unter dem Verkehrswert, weil er Grundstücke davor aufgekauft hatte und damit drohte, den Meerblick der Residenz zu verbauen, wenn er sie nicht selbst erwerben könnte.

Dass der Erfolg die Mittel heiligt, sollte eigentlich kein Credo eines Politikers sein. Damals habe seine Neigung zu Zornausbrüchen begonnen, heißt es in der Biographie „Trump Revealed“ der Journalisten Michael Kranish und Marc Fisher von 2017. Darin äußert sich Trump auch zu seinem Redestil der „wahrheitsgemäßen Übertreibung“, den er schon 1987 in seinem eigenen Buch „Die Kunst des Erfolgs“ bekanntgemacht hatte. „Ich spiele mit der Fantasie der Leute. […] Die Leute wollen glauben, dass etwas das Größte und das Spektakulärste ist. Ich nenne das wahrheitsgetreue Übertreibung. Es ist eine unschuldige Form der Übertreibung“, so Trump. Der Journalist Daniel Ruprecht nannte es 2018 „honest bullshit“, zu Deutsch „ehrlicher Mist“. Es ist eine der Manipulationstaktiken von narzisstisch gestörten Persönlichkeiten, Wahrheit mit Lüge zu mischen, um die Opfer zu verwirren und zu spalten. Und so ist auch Trump selbst polemisch und ruft Polemik hervor. Man liebt ihn oder man hasst ihn.

Der Showmaster
Plakat von Trumps TV-Show am New Yorker Trump Tower
Mit seinem Spruch „du bist gefeuert“ wurde Trump zum beliebten Helden der TV-Show „The Apprentice“ (Foto: David/Flickr).

Als Trump in den 1980er Jahren seine Geschäfte auf Spielcasinos, eine Luxus-Fluglinie und das Veranstalten von Profiboxkämpfen ausweitete, häufte er nach den Informationen seiner Biographie 3,2 Milliarden US-Dollar Schulden an. Die wälzte er später an eine Aktiengesellschaft und damit an deren Anteilseigner ab, während er selbst als Geschäftsführer der AG Millionen US-Dollar als Vergütung erhielt. Nach den Pleiten ergab sich durch die Reality-Show „The Apprentice“ für Trump die Möglichkeit, sein angekratztes Image aufzupolieren. Sie enthüllte Trumps außerordentliches Talent als Showmaster. Auch hier bediente er sich der Spaltung und Polemik mit seinem Spruch „You’re fired“, „Du bist gefeuert“. Der frühere Leiter der Sendung auf NBC, John Miller, sagt heute im Rückblick, „ich habe geholfen, ein Monster zu erschaffen“. Aber die Zuschauer liebten das Monster. Die Sendung hielt sich zwölf Jahre lang und machte Trump noch bekannter, was ihn auf die Idee brachte, seinen Namen für alle möglichen Produkte zu lizenzieren, darunter Herrenkleidung, Parfüm, Mineralwasser und sogar ein Videospiel.

Im Rahmen des Projekts Trump University machte er diverse falsche Versprechungen und missbrauchte persönliche Daten der Teilnehmer. Auch für Bauprojekte von anderen verkaufte er nur seinen Namen und trieb die Lizenzgebühren auch nach dem Platzen der Immobilienblase und in der folgenden Finanzkrise ab 2007 unerbittlich ein. Wie hoch sein Vermögen und seine Schulden tatsächlich sind, kann nur geschätzt werden. Um seine Steuererklärungen nicht veröffentlichen zu müssen, zog er bis vors Oberste Gericht. Andere Spitzenpolitiker hatten das freiwillig getan. 2021 verurteilte ihn das Gericht, seine Steuerunterlagen für die Jahre 2015 bis 2020 dem Ausschuss für Steuerpolitik des US-Kongresses übergeben, der sie dann veröffentlichte. Die Unterlagen „zerstören das Image vom erfolgreichen Geschäftsmann“, schrieb der SPIEGEL. Danach machte er 2015, 2016, 2017 und 2020 angeblich mehrere Millionen US-Dollar Verluste, 2018 und 2019 Gewinne von 24,4 und 4,4 Millionen. In dem gesamten Zeitraum zahlte er 1,1 Millionen US-Dollar Steuern und setzte 55 Millionen an Ausgaben ab.

Narzisstischer Zeitgeist
Dokumentarfilm über Donald Trump
Filmplakat der Doku „You’be been trumped“ des britischen Journalisten Anthony Baxter von 2011 (Foto: Wikimedia).

Politik hatte ihn bis 1987 nur interessiert, um seine geschäftlichen Interessen durchzusetzen, so dass ihm auch die Parteizugehörigkeit egal war. Er umging dabei auch Beschränkungen für Spenden, indem er sie auf den Namen von verschiedenen Tochtergesellschaften bezahlte. Im selben Jahr wurde er offiziell Republikaner. 1999 wechselte er zur neuen Reform Party von Ross Perot und bewarb sich erstmals als deren Präsidentschaftskandidat für die Wahlen im Jahr 2000. Schon damals setzt er sich gegen Outsourcing und illegale Einwanderung ein. Von 2001 bis 2009 folgte eine Periode als Mitglied der Demokraten. 2011 und 2012 gab Trump in der Wählerliste keine Parteizugehörigkeit an. Im damaligen Präsidentschaftswahlkampf hetzte er gegen Barack Obama und behauptete, dieser sei in Afrika geboren und daher kein legitimer Kandidat. Obama veröffentlichte daraufhin seine Geburtsurkunde und blamierte Trump. Seit 2012 ist Trump wieder offiziell Republikaner, spendete aber weiter für beide großen Parteien.

Auch seine politischen Positionen decken sich kaum mit einer der beiden. 2017 schrieb der Historiker Bruce Bartlett in einem Artikel in „Politico Magazine“: Trump „hat eine Politik eingeführt, die so rechts ist, dass sie Ronald Reagan, für den ich gearbeitet habe, wie einen liberalen Demokraten aussehen lässt.“ Außerdem halte Trump nichts von einer unabhängigen Justiz: „Er intervenierte persönlich, um das FBI aufzufordern, die Ermittlungen gegen einen ehemaligen Berater von ihm zu unterlassen, entließ dann FBI-Direktor James Comey und gab freimütig zu, dass er dies tat, um sich dem Druck, den er durch Comeys Ermittlungen verspürte, zu entziehen.“ Trump ist tatsächlich nur ein Apologet des Systems Trump: Er macht nur, was ihm selbst nützt. Daran ist im Prinzip nichts auszusetzen, wenn bei ihm nicht auch immer jemand verlieren müsste. Das in Kauf zu nehmen, entspricht dem narzisstischen Zeitgeist und das begründet Trumps Erfolg. Letztlich macht er die Grenzen von Wahlen an sich deutlich: Solange Führer gewählt werden, machen sie Versprechen und derjenige gewinnt, dem man sie am ehesten glaubt. Dass Trump real nicht oder nicht immer liefert, zeigt sein Lebenslauf deutlich. Die Wähler wurden also offenbar „getrumpt“, eine Wortschöpfung des britischen Journalisten Anthony Baxter, der 2011, 2014 und 2016 drei Dokumentarfilme über Trumps antisoziales Verhalten im Rahmen von dessen Bauprojekt in Schottland veröffentlichte. Von Führern, bei denen Schein und Sein übereinstimmen, sind die USA noch weit entfernt.

Der Schwächling
Bei Putin war Trump ehrerbietig und unterwürfig
Trump während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident bei einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Putin (Foto: Wikimedia).

„Trump ist ein Kind, das nie erwachsen geworden ist“: So beschreibt ihn in einer der Dokus die damals schon über 90-jährige Schottin Molly Forbes, der durch die Bauarbeiten an Trumps Golfplatz die Wasserversorgung gekappt und niemals repariert worden war. In einem Ausschnitt zeigt Trump bei der Besichtigung des Geländes für den Golfplatz auf ein Haus und sagt, das wolle er haben. Auf den Einwand eines Mitarbeiters, dass die Einheimischen damit nicht einverstanden sein könnten, sagt Trump: „Wen interessiert das?“ Tatsächlich erlaubt sich Trump seine Frechheiten nur gegenüber Menschen, die er für unterlegen hält, und das sind seiner Meinung nach fast alle. Hat er es allerdings mit echten starken Männern in ähnlichen Machtpositionen zu tun, wie etwa mit dem russischen Präsidenten Putin, so zeige Trump eine unangebrachte „Ehrerbietung“, sagen Mitarbeiter, die seine Telefonate als Präsident mithörten oder die Protokolle durchlasen. Er habe unterwürfig um Putins Bewunderung und Zustimmung geworben und „er ist am härtesten mit denen, die er als Schwächlinge ansieht, und am schwächsten mit denen, mit denen er hart sein sollte“, resümiert ein Mitarbeiter Trumps Telefonate in einem Bericht von CNN. Ein wirklich starker Mann behandelt alle Menschen gleich, ohne sie zu manipulieren oder sich manipulieren zu lassen. Davon ist Trump weit entfernt.

Das könnte Ihnen auch gefallen …