Zeitgenössische argentinische Kunst wird in Berlin gezeigt
Die Berliner Akademie der Künste stellt 100 Werke aus Argentinien unter dem Titel „Realität und Utopie“ aus. Dabei ist die Kunst meist auch eine Form von Gesellschaftskritik.
Abbild von Geschichte und Mentalität

Erstmals in Deutschland zeigt die Berliner Akademie der Künste eine umfangreiche Werkschau mit Kunst aus Argentinien vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Unter dem Titel „Realität und Utopie: Argentiniens künstlerischer Weg in die Gegenwart“ hat die Kuratorin Diana B. Wechsler 100 Gemälde, Fotos, Installationen und Videos zusammengestellt, um die „Erinnerungskultur und Mentalitätsgeschichte“ Argentiniens zu veranschaulichen. Das Projekt des Organisationskomitees für die Teilnahme Argentiniens als Ehrengastland zur Frankfurter Buchmesse zeigt Arbeiten von mehr als 70 Künstlern.
In den Kunstwerken wird meist die Geschichte Argentiniens von Diktatur, Krise und demokratischer Neuordnung reflektiert und auch politisch Stellung bezogen. Die Themen reichen von der Identitätssuche Argentiniens unter dem Einfluss westlicher Kunst bis zur internationalen Klimapolitik, die heimatliche Verortung durchaus aufzulösen vermag.
Kunst mit Botschaft

Der internationale Handel mit CO2-Emissionen zum Beispiel steht im Zentrum der Installation „Mundo Cubo“ von Graciela Sacco, die den Besucher gleich im Eingang mit einem mit Helium gefüllten, schwebenden Plastikwürfel empfängt.
Nicolas García Uriburu weist mit seinen Skulpturen auf die Umweltverschmutzung des Río de la Plata hin und bestätigt die Rolle der Kunst in Argentinien als wichtiges Medium der Gesellschaftskritik.
Die Geschichte der Militardiktatur findet unter anderem in dem expressionistischen Bild „La Censura“ von Carlos Alonso ihren Ausdruck.

Kapitalismus-Kritik
Der Vinyldruck „La Conquista de un Desierto“ („Die Eroberung einer Wüste“) von Leonel Luna aus dem Jahr 2002 hat ein historisches Gemälde zum Vorbild und „modernisiert“ es. Waren es in „La ocupación militar del Río Negro“ („Die militärische Besetzung des Rio Negro“) von Juan Blanes aus dem Jahr 1879 noch die nationalen Truppen, die unter General Roca in Patagonien einmarschierten und die indigene Bevölkerung vernichteten, greifen bei Lionel Luna nun Arbeitlose und Obdachlose zu den Waffen, die Verlierer der neoliberalen Umstrukturierung Argentiniens in den 1990er Jahren, welche zur Krise von 2001 und 2002 führte. Die Ausgeschlossenen nehmen in der originalgetreuen Komposition den Platz der Mächtigen ein.

Majestätische Natur
Beeindruckend ist die Videoinstallation „El Naufragio de los Hombres“ („Der Schiffbruch der Menschheit“) von Charly Nijensohn aus dem Jahr 2008. Auf drei wandfüllenden Leinwänden im Untergeschoss der Akademie lässt er auf dem Salar de Uyuni in Bolivien fotografierte und gespiegelte Traumlandschaften im Wasser entstehen, in die der Mensch eintritt, in denen er sich verliert und in die er letztlich nicht zu passen scheint.

Die gezeigten Werke sind vor allem Leihgaben von Museen, Galerien und Sammlungen aus Buenos Aires, wo sich eine der lebhaftesten Kunstszenen des neuen Jahrtzehnts entwickelt hat.
Die Ausstellung „Realität und Utopie: Argentiniens künstlerischer Weg in die Gegenwart“ läuft noch bis zum 14. November 2010 in der Akademie der Künste, Pariser Str. 4 (U-/S-Bhf. Brandenburger Tor), Dienstag bis Sonntag von 11 bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet 6 Euro und ermäßigt 4 Euro.